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Chaos & Form

Chaos & Form

Wechselspiel im Weinkeller

Jo Pfisterer, Georg Meissner und Paola Tenaglia sind Önologen im Weingut Alois Lageder. Die Arbeit im Weinkeller bedeutet für sie weit mehr als die Herstellung von Weinen

„Bei uns herrscht ein Wechselspiel zwischen Chaos und Form“, so Jo Pfisterer, Önologe im Weingut Alois Lageder. Der 30-Jährige aus Stuttgart kam vor drei Jahren in das Weingut und ist gemeinsam mit Georg Meissner und Paola Tenaglia verantwortlich für die Arbeit im Weinkeller. Das Bestreben nach Entwicklung, nach neuen Ideen der Weinherstellung, ist den drei jungen Önologen besonders wichtig. Dieser Ansatz ist inspiriert von der Theorie der „sozialen Plastik“ des deutschen Aktionskünstlers und Sozialphilosophen Joseph Beuys. Sie besagt, dass jeder Mensch durch kreatives Handeln zum Wohl der Gemeinschaft beitragen kann. „Jeder Mensch ist ein Künstler“ – so die vielzitierte These von Joseph Beuys. Um das Leben sozial und kreativ zu gestalten, um sich weiterzuentwickeln, um neue Ideen gedeihen zu lassen, brauche es Fantasie und Offenheit.
Und genau diese Eigenschaften prägen die Arbeit von Jo Pfisterer, Georg Meissner und Paola Tenaglia. „Der Grundzustand unserer täglichen Arbeit ist Chaos“, so Jo Pfisterer. „Chaos bedeutet Freiheit, Offenheit. Wir haben das große Glück, dass wir in unserer Arbeit sehr viele Freiräume haben und das volle Vertrauen von Alois und Clemens Lageder genießen. In unserem Team haben wir verschiedene Ansätze und Meinungen, es geht oft chaotisch zu, man diskutiert, tauscht sich aus. Aus diesem Chaos kann sehr viel Positives entstehen, da wir nicht immer nach dem gleichen Schema verfahren. Gleichzeitig braucht es aber einen gewissen Rahmen, eine Form. Wir haben große Verantwortung. Sorgfältiges Arbeiten und das Einhalten gewisser Strukturen ist daher genauso wichtig.“
Paola Tenaglia nickt: „Jeder Arbeitstag sieht anders aus, trotzdem braucht es eine bestimmte Organisation der Abläufe.“ Die 33-Jährige ist die einzige Frau im zwölfköpfigen Kellerteam. Wie sie damit umgeht? Das Wichtigste sei Kommunikation. „Wenn man miteinander redet und Dinge offen anspricht, funktioniert das Team. Und Teamwork ist essentiell für die Arbeit im Keller.“ In diesem Punkt sind sich Jo Pfisterer, Georg Meissner und Paola Tenaglia einig. Überhaupt wirken sie wie ein sehr eingespieltes Team. Neugierig, voller Energie, gleichzeitig sehr bedacht.
Zurück zu Joseph Beuys und seiner Theorie der „sozialen Plastik“. Gräbt man etwas tiefer und blickt unter die Oberfläche, wird klar, dass die Drei den Grundsatz nicht nur auf Organisation und Strukturierung der Arbeit im Keller beziehen. Der Wein selbst ist Ausdruck dieses Prinzips. „Aus dem Chaos sind unsere Kometen entstanden“, so Georg Meissner. Der 40-Jährige aus Mannheim arbeitet seit 2013 für das Weingut Alois Lageder. „Die Kometen sind Weine, die durch Experimente im Weinberg und im Keller entstehen“, so Meissner. Das Spiel mit Komponenten, der Mut zur Veränderung, das Ausreizen - und teilweise auch Überreizen - von Grenzen steht bei diesen Weinen im Vordergrund. Der Wein ZIE∙XV etwa ist Zeichen dieses „Chaos“: Einige Sorten sind zum Zeitpunkt der Lese noch unreif, bestechen durch hohe Säurewerte. Andere sind überreif, tragen zum Teil reife Aromen und viel Zucker. Wiederum andere erreichen den idealen physiologischen Reifegrad. „Sie werden alle gemeinsam gekeltert. Es ist erstaunlich, zu welcher Balance die Komponenten beitragen. Das Chaos, die verschiedenen Elemente, werden letztlich in Form übergeführt“, führt Jo Pfisterer weiter aus.
Innovation und Experimentierfreude. Das sind die Schlagworte, wenn man die Drei nach ihrer Arbeit im Keller fragt. Sie betonen aber: „Wir erfinden das Rad nicht neu. Tradition ist auch bei uns ein wichtiges Thema“. Trotzdem wollen sie Wein nicht „nach Rezept“ herstellen. Georg Meissner: „Wir wollen Neues schaffen, Entwicklung ermöglichen. Wenn wir nach Standardrezepten arbeiten, entsteht nichts Neues. Nur, wenn ich mich von bestimmten Normen löse, wenn ich Raum schaffe und Dinge geschehen lasse, kann Neues entstehen. Und dafür brauchen wir Mut – um Veränderung und Chaos zuzulassen.“

Hotels in der Nähe: Der Zirmerhof in Radein, der Gasthof Krone in Aldein, die Residenz im Grünweinhof in Pinzon. Bestellen sie hier ihren Wertgutschein für einen Hotelaufenthalt mit Führung und Verkostung im Weingut.

Ein Video über das Weingut ist hier zu sehen: https://vimeo.com/158473432

Alois Clemens Lageder
Vineria Paradeis