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Idyllic skiing

Idyllic skiing

Free your heel – free your mind

Sobald im Frühling die Tage länger werden und die Sonne ausreichende Höhe gewonnen hat, und die nach Norden gerichteten Hänge der Marmolata im Streiflicht plastisch und sinnlich weich erscheinen lässt, tummeln sich die Skienthusiasten , darunter traditionsgemäß viele Bozner, auf ihren „Hausberg“. Tourengeher, Variantenfahrer, experimentierfreudige Pioniere mit Mono Ski, Snowboard, Paragleiter genießen den puren Skisport und lassen sich vom einzigen klapprigen Korb Lift von 2000 auf 2700 m befördern. Die Bergfahrt im spartanischen Korb dauert ca. 20 Minuten. Für heutige Begriffe unvorstellbar, denn die „Förderleistung“ moderner Aufstiegsanlagen beträgt das drei bis vierfache, was aber bedeutet, dass im selben Zeitabschnitt drei bis vier Mal so viele Skifahrer die Pisten „bevölkert“. Die lange „Weile“ am Lift nimmt man jedoch gerne wahr, um das Geschehen zu beobachten, um sich mit dem jeweiligen Mitfahrer zu unterhalten, um zu planen, welche Variante man fahren möchte, unbefahrene Pulverschneehänge oder herrliche Firnteppiche. Am selben Tag ist oft beides möglich. Eine Punktekarte mit zehn Fahrten schafft man alleine an einem Tag nicht aufzubrauchen. Die langsame Beförderung, das Anstehen an der Talstation und der schlechte oder zum Teil sogar fehlende Empfang am Mobilfunknetz haben selten einen dieser Skienthusiasten gestört. Denn man genießt die Zeit. Man trifft sich einfach, ohne Verabredung. Dieses Jahr gehen sich noch einige dieser Tage aus, ansonsten wartet man auf den nächsten Frühling. Das Bewusstsein immer wiederkehrender Ereignisse vermittelt ein Gefühl von Sicherheit, von Stabilität.
An einem dieser herrlichen Frühlingstage, es war Mitte der 90er Jahre, stieg ich aus dem klapprigen Korblift am Pian dei Fiacconi aus und richtete meinen Blick hinauf zur Punta Rocca. Dort, wo die weiße Kuppe des Gletschers den dunkelblauen Himmel berührt, wirbeln zwei Skifahrer hinter sich eine Wolke von Pulverschnee auf, setzen ihre Fahrt fort in den noch unberührten Hang und zeichnen in ihn perfekte große Bogensegmente. Sie scheinen in Zeitlupe zu tanzen, pendeln von einer Seite zur anderen, scheinbar von einer übergeordneten kosmischen Kraft getrieben. Dort, wo die Fliehkraft der Kurve am stärksten ist, erkennt man, dass die „Tänzer“ einen Ausfallschritt machen und sogar den Oberkörper in Kurvenrichtung rotieren. 

Obwohl alles genau im Gegenteil zur alpinen Skitechnik erfolgte, war ich wie verzaubert von diesem Anblick, angezogen von der überwältigenden Eleganz dieser „abnorm“ erscheinenden Fahrtechnik. Dieser Stil nennt sich „Telemark , konnte mich mein Mentor Stephan Rössler belehren. Im selben Frühjahr ergab sich die Gelegenheit, in Livigno eine Telemark Ausrüstung auszuleihen - damals Lederschuhe , die mit einer Art Langlaufbindung an eine Art Langlaufski mit Kante nur vorne an der Schuhspitze befestigt war - und mir von einem Lehrer eine Einführung in diese neue, alte, angeblich ursprüngliche Technik geben ließ. Darauf kaufte ich von Stephan Rössler, der damals natürlich schon Telemarker war, meine erste Ausrüstung und besuchte eines der ersten Telemarkseminare im Schnalstal, gehalten von zwei der absoluten „Gurus“ der Szene, vom Amerikaner Paul Parker mit dem Norweger Morten As. Paul Parker legte großen Wert darauf, seinen Schülern nahe zu bringen, dass Telemark eine Haltung sei, „a matter of mind“, also Kopfsache. Beim Telemark gehe es nicht um Geschwindigkeit, sondern um ein bewusstes, sich ständig an das jeweilige Gelände und Schneebeschaffenheit anzupassendes Reagieren des Individuums. Es gibt keinen vorgegebenen Stil, jeder Telemarker findet seinen eigenen. Telemarken ist wie Laufen. Auf Zehenspitzen und mit freier Ferse. Über den kleinen und den großen Zehen wird die ganze Gewichtverteilung auf den Ski im Kurvenablauf gesteuert. Im Augenblick der Nullkraft, der Schwerelosigkeit, erfolgt der Wechsel in die andere Kurve.
„free your heel – free your mind“ am besten abseits von sicheren, schnellen, perfekt präparierten und übervollen Pisten. Dort wo der Kontext authentisch ist und die Zeit nicht zählt. Ohne Zwänge. Idyllic skiing.

Ob in Lech in Vorarlberg, im Pustertal  oder im Val Badia in Südtirol oder in Graubünden in der Schweiz - die Idyllic Places bieten Wintererlebnis im alpenländischen Raum vom Feinsten. Mitten oder Fernab vom Trubel, das entscheiden Sie selbst.

Dr. Arch. Robert M. Veneri
Architekt und Telemarker